Laut Statistiken der Bundesagentur für Arbeit (BA) ist die durchschnittliche Vakanzzeit, also die Besetzungsdauer einer offenen Position, in Deutschland seit 2010 kontinuierlich gestiegen. Während die Zeitspanne zwischen dem gewünschten Besetzungstermin und der endgültigen Abmeldung einer offenen Stelle bei der Arbeitsvermittlung im Jahr 2010 im Schnitt 57 Tage betrug, lag sie 2017 bei 102 Tagen. Im Zeitraum von Oktober 2023 bis September 2024 erreichte die durchschnittliche Vakanzzeit mit 158 Tagen ihren bisherigen Höchstwert. In sogenannten Engpassberufen kann diese Zeitspanne noch deutlich länger ausfallen: Laut einer Erhebung der BA besteht im Aus- und Trockenbau mit durchschnittlich 302 Tagen die höchste Vakanzzeit.
Lange Besetzungszeiten wirken sich nicht nur negativ auf die Unternehmensleistung aus, sondern verursachen auch erhebliche Kosten. Laut einer Studie von Stepstone beliefen sich diese im Jahr 2023 im Schnitt auf 49.000 Euro pro unbesetzter Stelle.
Mit Optimierungsmaßnahmen können Vakanzzeiten verkürzt und so die Kosten gesenkt werden. Von der Verbesserung der Bewerbungsabläufe über den Einsatz digitaler Tools bis hin zur Stärkung der Arbeitgebermarke – wir zeigen Dir, welche Veränderungen Du vornehmen kannst, um Deinen Rekrutierungsprozess zu beschleunigen.
Die Time to Hire ist eine Kennzahl, die die Zeit bis zur Besetzung einer offenen Stelle misst. Doch die genaue Auslegung des Begriffs variiert. Berufen sich Unternehmen auf die engere Definition, ist der Zeitraum von der Bewerbung einer geeigneten Kandidatin oder eines geeigneten Kandidaten bis zur Einstellung, die meist als Unterschrift des Arbeitsvertrags festgelegt ist, gemeint. In der weiter gefassten Definition beginnt die Time to Hire mit dem Start des Recruitings. Das meint in der Regel das Schalten einer Stellenanzeige. Endpunkt ist hier ebenfalls der Tag der Einstellung.
Im Folgenden wird sich auf die weiter gefasste Definition bezogen. Denn Verzögerungen in den frühen Phasen eines Rekrutierungsprozesses, etwa beim Generieren von Bewerbungen, können zum Teil die gleichen negativen Auswirkungen haben wie Verzögerungen im Auswahlverfahren oder bei der Entscheidungsfindung. Daher sind auch in den frühen Phasen der Time to Hire Anpassungen notwendig, um eine bestmögliche Optimierung erzielen zu können.
Zwei weitere Kennzahlen, die im Rahmen der Besetzung von Stellen häufig aufgelistet werden, sind die Time to Fill und die Vakanzzeit. Beide unterscheiden sich in dem Zeitraum, den sie umfassen, von der Time to Hire. Die Time to Fill startet, wie die weit gefasste Definition der Time to Hire, mit dem Beginn eines Rekrutierungsprozesses, endet allerdings erst mit dem ersten Arbeitstag einer neuen Arbeitskraft. Die Vakanzzeit wird von der BA erfasst und beschreibt den Zeitraum vom gewünschten Besetzungstermin einer Position bis zur Abmeldung der offenen Stelle bei der BA nach erfolgreicher Besetzung.
Die Time to Hire gliedert sich in mehrere Phasen, deren Aufgaben je nach spezifischem Ablauf des Recruitings im Unternehmen variieren können. Typischerweise umfasst sie die folgenden Schritte:
Die Dauer für eine Stellenbesetzung hängt sowohl von internen als auch von externen Faktoren ab. Für die Geschwindigkeit der Generierung von Bewerbungen ist die Attraktivität eines Unternehmens als Arbeitgeber*in relevant. Unternehmen mit einem positiven Image ziehen eher qualifizierte Kandidatinnen und Kandidaten an als Organisationen mit einer negativen Reputation. Eine starke Arbeitgebermarke fördert, dass Bewerbende aktiv auf offene Stellen reagieren und Bewerbungen schneller eingehen. Auch die Anforderungen an eine Stelle beeinflussen die Eingangsrate von Bewerbungen. Denn je spezialisierter eine zu besetzende Position ist, desto kleiner ist der Pool an geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten.
Liegen Bewerbungen vor, hat die Effizienz von Rekrutierungsprozessen großen Einfluss auf die Dauer des weiteren Verlaufs. Gut strukturierte Abläufe und klar definierte Zuständigkeiten gewährleisten, dass alle Prozessschritte zügig abgearbeitet werden können. Auch der Digitalisierungsgrad des Bewerbermanagements und die Komplexität der Auswahlverfahren sind Faktoren, die die Zeit, die zur Rekrutierung benötigt wird, beeinflussen.
Extern wirkt sich vor allem die wirtschaftliche Lage auf die Time to Hire aus. In Zeiten von wirtschaftlicher Unsicherheit oder Abschwung neigen Unternehmen dazu, bei der Besetzung offener Stellen vorsichtiger zu agieren. Beispielsweise können Entscheidungsfindungen bewusst hinausgezögert werden, wenn Unternehmen Bedenken bezüglich ihrer finanziellen Stabilität haben.
Vergeht viel Zeit für die Neubesetzung einer Stelle, kann das für Unternehmen verschiedene negative Konsequenzen mit sich bringen:
Geringerer Rekrutierungserfolg: Im Rahmen einer Studie im Auftrag der Königsteiner Gruppe aus dem Jahr 2022 wurden Personen, die sich in den letzten fünf Jahren in mindestens einem Bewerbungsverfahren befanden, zu ihren Erfahrungen im Bewerbungsprozess befragt. Dabei gaben 21 Prozent an, schon mal eine Stelle abgelehnt zu haben, weil das Auswahlverfahren zu lange dauerte. Je mehr Zeit ein Rekrutierungsprozess in Anspruch nimmt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass qualifizierte Kandidaten und Kandidatinnen abspringen. Bewerbende durchlaufen meist parallel verschiedene Bewerbungsverfahren. Daher können sie deren Effizienz direkt miteinander vergleichen. Ein langwieriger Ablauf wirkt unprofessionell, mindert das Interesse von Bewerbenden und erhöht das Risiko, dass sie sich für Wettbewerber entscheiden.
Verschlechterung des Arbeitgeberimages: Die Dauer eines Bewerbungsprozesses kann sich auch negativ auf das Employer Branding eines Unternehmens auswirken. Bewerbende, die einen Prozess als zu lang empfinden, können diese Erfahrung in ihrem Netzwerk oder auf Bewertungsplattformen teilen. Erfahren andere potenziell geeignete Kandidaten oder Kandidatinnen von diesen negativen Eindrücken, entscheiden sie sich womöglich gegen eine Bewerbung bei dem Unternehmen.
Motivationsverlust bestehender Mitarbeitender: Ein aus einer unbesetzten Stelle resultierender Engpass muss vom bestehenden Team überbrückt werden. Dadurch steigt die Arbeitsbelastung der Mitarbeitenden. Das kann je nach Ausmaß zu Frustration, Motivationsverlust oder Überlastung führen. Folge hiervon kann eine höhere Fluktuationsrate sein.
Schlechtere Unternehmensleistung: Leerstände können in der Regel für eine gewisse Zeit durch andere Mitarbeitende kompensiert werden. Fehlt es im Team jedoch an den erforderlichen Kompetenzen für bestimmte Aufgaben, bleiben diese unerledigt. Dadurch verzögern sich Projekte, was den Fortschritt eines Unternehmens bremsen kann. Langfristig führt dies zu Effizienzverlusten und wirkt sich negativ auf die gesamte Unternehmensleistung aus.
Aus einer langen Time to Hire können darüber hinaus finanzielle Schäden für Unternehmen resultieren. Jede unbesetzte Stelle verursacht Kosten, die als „Cost of Vacancy“ bezeichnet werden. Sie lassen sich in zwei Kategorien unterteilen: die direkten und die indirekten Kosten.
Direkte Kosten entstehen durch Maßnahmen zur Besetzung offener Stellen. Darunter fallen unter anderem, je nach Plattform, Kosten zum Schalten von Stellenanzeigen. Bei einer längeren Vakanz müssen Anzeigen möglicherweise mehrfach oder auf zusätzlichen, kostenpflichtigen Plattformen veröffentlicht werden. Zudem steigen die internen Personalkosten, da die Bearbeitung weiterer Bewerbungen und die anschließende Durchführung von Auswahlverfahren und Vorstellungsgesprächen erneut Zeit und Ressourcen beanspruchen. Werden externe Dienstleister wie Personalagenturen beauftragt, um die Suche nach passenden Kandidaten und Kandidatinnen zu beschleunigen, entstehen hierfür zusätzliche Kosten.
Unter indirekte Kosten fallen Opportunitätskosten, also entgangene Chancen und potenzielle Gewinne, die ein Unternehmen hätte erzielen können, wäre eine Position rechtzeitig besetzt worden. Werden Projekte aufgrund fehlender Arbeitskraft nicht erledigt, können Umsatzeinbußen folgen. Verzögerungen beeinträchtigen zudem die Kundenzufriedenheit und können langfristig die Anzahl neuer Aufträge reduzieren.
Da die Costs of Vacancy sich aus vielen Faktoren zusammensetzen und eine lange Time to Hire auch Kosten zur Folge haben kann, die erst lange nach erfolgreicher Besetzung einer Stelle erkennbar werden, ist eine exakte Berechnung kaum möglich. Dennoch gibt es eine Formel, anhand der sich die Kosten abschätzen lassen. Neben dem Bruttojahresgehalt einer Stelle, den Arbeitstagen pro Jahr und dem Zeitraum, über den eine Stelle nicht besetzt war, muss der Einflussfaktor einer Position für die Berechnung der entstandenen Kosten identifiziert werden. Man unterteilt Berufe hierfür grob in drei Wichtigkeitsstufen. Stufe eins greift für Stellen, die wenig bis keinen Einfluss auf den Unternehmenserfolg haben und wird unter anderem für Auszubildende angewendet. Stufe zwei trifft in der Regel auf Fachkräfte zu, die einen mittleren Einfluss haben. Stellen mit einem hohen Einfluss auf das Unternehmensergebnis werden Stufe drei zugeordnet. Dazu zählen Führungspositionen. Der Einflussfaktor wird in der Formel zur Berechnung der Costs of Vacancy als Multiplikator genutzt:
(Jahresgehalt: durchschnittliche Arbeitstage pro Jahr) x Einflussfaktor x durchschnittliche Time to Fill = Cost of Vacancy
Die ideale Länge der Time to Hire hängt von der jeweiligen Perspektive ab. Die Anforderungen von Bewerbenden und Unternehmen sind hier nicht deckungsgleich. Für Bewerbende ist vor allem die Dauer ab Eingang ihrer Bewerbung relevant. Die Candidate Experience-Studie 2021/22 von Stellenanzeigen.de zeigt, dass eine schnelle Bearbeitung und Entscheidungsfindung direkten Einfluss auf die Zufriedenheit von Bewerbenden hat. Dauert der Prozess maximal zwei Wochen, ist die Candidate Experience sehr hoch. Bei einer Bearbeitungszeit von bis zu vier Wochen sinkt sie zwar leicht, bleibt jedoch insgesamt positiv. Ab einer Dauer von vier Wochen empfinden 20,6 Prozent der befragten Personen einen Bewerbungsprozess als zu lang.
Für Unternehmen gilt es, eine Balance zu finden. Ein zu langsamer Prozess erhöht das Risiko für den Eintritt der bereits erwähnten negativen Konsequenzen. Dennoch müssen alle Bewerbungsschritte gründlich durchgeführt werden. Denn ein überstürzter Prozess birgt die Gefahr, dass eine Person eingestellt wird, die sich am Nachhinein doch als ungeeignet für die Stelle erweist. Das kann zur Folge haben, dass im Nachgang ein weiterer Rekrutierungsprozess für eine Neubesetzung notwendig wird. Zudem erfordern bestimmte Positionen umfangreichere Kompetenzprüfungen, beispielsweise durch Case Studies, als andere. Die optimale Time to Hire variiert daher je nach Position. Ein Rekrutierungsprozess sollte jedoch immer darauf abzielen, unnötige Verzögerungen zu vermeiden. Wichtig ist auch, dass Bewerbende über die voraussichtliche Dauer in Kenntnis gesetzt und bei Abweichungen informiert werden.
Es gibt viele Möglichkeiten, die Dauer zur Besetzung offener Stellen zu verkürzen. Die folgenden Optimierungsansätze lassen sich, je nach den individuellen Bedürfnissen und Ressourcen eines Unternehmens, flexibel kombinieren oder schrittweise umsetzen:
Maßnahmen zur Optimierung der Generierung von Bewerbungen:
1. Karriereseite optimieren: Für viele Bewerbende sind Karriereseiten von Organisationen die zentrale Anlaufstelle, um Informationen über offene Stellen zu erhalten. Sie vermittelt nicht nur Details zu allen Anforderungen und Aufgaben einer Position, sondern auch einen ersten Eindruck der Unternehmenskultur. Eine gut strukturierte, informative Seite, die authentische Einblicke in das Arbeitsumfeld bietet, kann das Bewerbungsaufkommen steigern. Gleiches gilt für die Benutzerfreundlichkeit: Ist eine unkomplizierte Bewerbung direkt über die Karriereseite möglich ist, werden potenzielle Hürden für Bewerbende minimiert.
2. Employer Branding verbessern: Ein Unternehmen, das als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen wird, hebt sich positiv von Wettbewerbern ab. Durch Employer Branding Maßnahmen, wie beispielsweise einer guten Kommunikation der Alleinstellungsmerkmale oder Karrieremöglichkeiten einer Organisation nach außen, kann das Interesse potenzieller Bewerbender erhöht werden.
3. Zielgruppenansprache präzisieren: Um einen Rekrutierungsprozess beschleunigen zu können, muss die Zielgruppe für jede Position genau analysiert und über die richtigen Kanäle angesprochen werden. Zudem sollte auch innerhalb von Stellenanzeigen präzise kommuniziert werden, welche Fähigkeiten erforderlich sind. Durch eine gezieltere Ansprache erhöht sich die Kompatibilität von Bewerbenden zur ausgeschriebenen Stelle. Ungeeignete Kandidaten und Kandidatinnen können frühzeitig herausgefiltert werden, was das spätere Screening verkürzt.
4. Active Sourcing betreiben: Beim Active Sourcing werden qualifizierte Kandidaten und Kandidatinnen proaktiv angesprochen. Dadurch entfallen Wartezeiten auf Bewerbungen. Zudem ermöglicht diese Vorgehensweise es, gezielt Talente auszuwählen, die den Anforderungen der offenen Stelle entsprechen. So wird von Anfang an eine hohe Passung sichergestellt.
5. Talentpool aufbauen: Der Aufbau eines Talentpools ist eine langfristige Maßnahme, um potenzielle Kandidaten für zukünftige Stellen zu sammeln. In einem solchen Pool werden beispielsweise Profile geeigneter Bewerbender aufgenommen, für die zum Zeitpunkt ihrer Bewerbung keine passende Stelle verfügbar war. Sobald eine neue Position frei wird, kann auf diese zurückgegriffen werden.
Maßnahmen zur Optimierung des Bewerbungsprozesses:
1. Positive Candidate Experience schaffen: Durch eine gute Candidate Experience kann vermieden werden, dass geeignete Kandidaten und Kandidatinnen aufgrund von Unzufriedenheit während eines Bewerbungsverfahrens abspringen. Fühlen Bewerbende sich wertgeschätzt und gut informiert, hinterlässt der Prozess einen positiven Eindruck bei ihnen, den sie gegebenenfalls auch innerhalb ihres Netzwerks teilen. Die Maßnahmen zur Beschleunigung, die in den folgenden Punkten genannt werden, können dazu beitragen, eine gute Candidate Experience zu erreichen.
2. Prozesse strukturieren: Effiziente und gut strukturierte Abläufe sind unerlässlich, um einen Bewerbungsprozess zu beschleunigen. Die Automatisierung und Digitalisierung manueller Schritte tragen hierzu bei, da sich dadurch die Arbeitslast reduziert und Fehlerquellen minimiert werden können. Zusätzlich ist es sinnvoll, feste Fristen für die einzelnen Phasen eines Bewerbungsprozesses zu setzen. Dies sorgt nicht nur für eine bessere Planbarkeit, sondern auch für eine schnellere Bearbeitung.
3. Interne Kommunikation verbessern: Kurze Kommunikationswege sorgen ebenfalls für eine bessere Time to Hire. Klare Zuständigkeiten und die interne Nutzung digitaler Bewerbermanagementsysteme, die eine zentrale Verwaltung für alle beteiligten Mitarbeitenden ermöglichen, ebnen das Fundament für schnelle Prozesse.
4. Transparenz schaffen: Transparenz ist notwendig, um Unsicherheiten von Bewerbenden entgegenzuwirken und das Risiko zu verringern, dass sie den Prozess wegen Verzögerungen abbrechen. Eine offene Kommunikation darüber, welche Schritte im Auswahlprozess zu erwarten sind und wie lange diese in der Regel dauern, schafft Vertrauen. Eine Möglichkeit zur Förderung von Transparenz ist die Implementierung entsprechender Online-Plattformen für Bewerbende. Diese bieten ihnen die Möglichkeit, den Status ihrer Bewerbungen jederzeit einzusehen. So kann zusätzlich der Kommunikationsaufwand für Personalabteilungen reduziert werden.
Wie in nahezu allen Unternehmensbereichen wird künstliche Intelligenz (KI) auch im Recruiting zunehmend eingesetzt. KI-gestützte Tools helfen dabei, verschiedene Phasen eines Bewerbungsprozesses zu automatisieren und effizienter zu gestalten. Der Einsatz von KI in der Personalbeschaffung, auch bekannt als Robot-Recruiting, kann die Time to Hire verkürzen, stößt jedoch auch auf Kritik.
Ein zentraler Vorteil des Robot-Recruitings in Bezug auf die Verkürzung der Time to Hire ist die Möglichkeit, das Screening von Bewerbungen zu standardisieren und damit zu beschleunigen. KI kann Lebensläufe und andere Bewerbungsunterlagen analysieren und diese mit den Anforderungen von Stellenausschreibungen abgleichen. Durch die Verarbeitung großer Datenmengen können Muster erkannt werden, die darauf hinweisen, welche Bewerbenden besonders gut für eine Position geeignet sind. Anhand dessen wird eine Vorauswahl potenzieller Kandidaten und Kandidatinnen getroffen, die dann an die Personalabteilung übermittelt wird. Dadurch, dass so nur noch eine gefilterte Auswahl an Bewerbungen von Mitarbeitenden geprüft werden muss, kann Zeit eingespart werden. Laut einer Statista-Studie aus dem Jahr 2022 können sich 48,7 Prozent der befragten Personalverantwortlichen vorstellen, KI bei der Vorauswahl potenzieller Bewerber*innen einzusetzen.
Auch die anschließende Terminierung von Bewerbungsgesprächen oder Tests kann automatisch erfolgen. Die Kommunikation mit Bewerbenden lässt sich durch Robot Recruiting ebenfalls effizienter gestalten. Chatbots sind in der Lage, Fragen von Kandidaten und Kandidatinnen in Echtzeit zu beantworten. Das beschleunigt den Informationsfluss zwischen Unternehmen und Bewerbenden. So kann vermieden werden, dass Talente abspringen, weil sie zu lange auf Rückmeldungen warten. In einigen Fällen führen KI-Systeme auch Erstgespräche, basierend auf standardisierten Fragen, durch. Die Ergebnisse automatisierter Interviews werden anschließend durch Identifikation von Sprach- oder Verhaltensmuster ausgewertet, wodurch auch Rückschlüsse auf Soft Skills von Bewerbenden möglich sind. So lässt sich die Eignung vorab einschätzen, ohne menschliche Ressourcen zu binden. Der Einsatz von KI zur direkten Ansprache von Bewerbenden kommt laut Statista-Umfrage bisher allerdings nur für 9,5 Prozent der Personalverantwortlichen infrage. Noch weniger der befragten Personen – nur 1,6 Prozent – erwägen, KI auch im finalen Einstellungsprozess einzusetzen.
Insgesamt bietet der Einsatz von KI im Recruiting viel Potenzial zur Verkürzung der Time to Hire. Die Angaben der befragten Personalverantwortlichen legen nahe, dass ihr Gebrauch insbesondere in sensiblen Phasen wie der abschließenden Auswahlentscheidung auf absehbare Zeit nur begrenzt geschehen wird. Ein Grund dafür ist, dass dem menschlichen Urteilsvermögen, speziell bei der Einschätzung zwischenmenschlicher Fähigkeiten, nach wie vor häufig mehr Vertrauen entgegengebracht wird.
Auch auf Seite der Bewerbenden gibt es gemischte Reaktionen in Bezug auf den Einsatz von KI im Recruiting. Besonders in den frühen Phasen des Rekrutierungsprozesses, wie beim Verfassen von Stellenanzeigen, der Nutzung von Chatbots oder der Vorauswahl von Bewerbenden, wird das Einbeziehen von KI laut einer Studie der Internationalen Hochschule Bad Honnef aus dem Jahr 2022 von über der Hälfte der befragten Personen als positiv bewertet. 31,7 Prozent gaben an, dass durch KI der gesamte Bewerbungsprozess beschleunigt wird. Gleichzeitig herrscht aber auch Skepsis: 65,2 Prozent empfinden negative Emotionen bei dem Gedanken, dass KI im Rekrutierungsprozess eingesetzt wird. Die Akzeptanz sinkt beim Einsatz von KI in den späteren Phasen des Prozesses, wie beispielsweise bei der finalen Auswahl. Bedenken bei Bewerbenden bestehen unter anderem hinsichtlich möglicher Intransparenz bei Entscheidungen, Datenschutzverletzungen und einer geringeren Berücksichtigung individueller Eigenschaften im Auswahlprozess.
Um KI zur Reduzierung der Time to Hire effektiv einzusetzen, sollten Unternehmen die Zweifel von Bewerbenden berücksichtigen und eine Kombination aus menschlicher Urteilsfähigkeit und automatisierten Prozessen anstreben.
Ursächlich für eine lange Time to Hire sind nicht immer Prozesse oder Entscheidungen von Unternehmen. Häufig liegt das Problem am Arbeitsmarkt selbst. Schließlich gibt es nicht genügend geeignete Kandidaten und Kandidatinnen, um alle offenen Positionen zu besetzen. In Branchen, die stark vom Fachkräftemangel betroffen sind, steigen die Vakanzzeiten entsprechend. Die Engpassberufe mit den 15 höchsten Vakanzzeiten wiesen im Zeitraum von Oktober 2023 bis September 2024 Durchschnittswerte zwischen 239 und 303 Tagen auf. Maßnahmen zur Beschleunigung der Gewinnung von Bewerbungen und des Bewerbungsprozesses alleine reichen in diesen Fällen nicht aus. Denn selbst wenn ein Rekrutierungsprozess effizienter gestaltet wird, gehen keine oder nur eine geringe Anzahl geeigneter Bewerbungen ein, wenn qualifizierte Fachkräfte größtenteils schon in Beschäftigungsverhältnissen stehen oder nicht in ausreichender Anzahl vorhanden sind. Daher müssen Unternehmen zusätzlich Strategien finden, um den Kreis der Arbeitskräfte, die sie ansprechen, zu erweitern. Nur so können in Engpassberufen wieder kürzere Vakanzzeiten erzielt werden.
Eine Möglichkeit stellt die Gewinnung ausländischer Fachkräfte dar. Allerdings bringt dieser Ansatz Herausforderungen mit sich, die sich auch negativ auf die Time to Hire auswirken können. Dazu zählt unter anderem die zeitaufwändige Anerkennung internationaler Qualifikationen. Die Neufassung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes aus dem Jahr 2023 soll den Einstellungsprozess jedoch vereinfachen.
Eine weitere Lösung besteht in der verstärkten Nutzung interner Potenziale. Durch Weiterbildungs- und Umschulungsprogramme können bestehende Mitarbeitende für offene Stellen qualifiziert werden. Dies verringert die Abhängigkeit vom externen Arbeitsmarkt und stärkt zugleich die Mitarbeitendenbindung durch die Eröffnung von Karriereaussichten innerhalb eines Unternehmens. Laut des LinkedIn-Reports „Die Zukunft des Recruitings 2023“ vermuten 76 Prozent der Personaler*innen, dass diese Form der Talententwicklung in den nächsten fünf Jahren eine hohe Relevanz für die Besetzung offener Stellen haben wird.
Die Optimierung der Time to Hire wird zu Zeiten des Fachkräftemangels immer wichtiger. Unternehmen stehen unter Druck, ihre Rekrutierungsprozesse effizienter zu gestalten, um Kosten zu senken und qualifizierte Bewerbende nicht an Wettbewerber zu verlieren. Unter anderem können strukturiertere Bewerbungsabläufe, der Einsatz von KI sowie der Aufbau einer starken Arbeitgebermarke Stellschrauben sein, um offene Positionen schneller besetzen und sich auch in einem umkämpften Arbeitnehmermarkt gut positionieren zu können.
In Engpassberufen stoßen diese Optimierungsmethoden allerdings häufig an ihre Grenzen, da es zum Teil gänzlich an qualifizierten Kandidaten und Kandidatinnen fehlt. In der IW-Arbeitsmarktfortschreibung 2027 wird prognostiziert, dass sich, sofern sich die empirischen Trends der letzten Jahre weiter fortsetzen werden, die Fachkräftelücke bis 2027 vergrößern und auf weitere Berufsfelder ausbreiten wird. Unternehmen müssen deshalb verstärkt auf interne Potenziale durch Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen setzen. Gleichzeitig wird die Anwerbung internationaler Fachkräfte in Deutschland unerlässlich, um den steigenden Bedarf zu decken.
Letztlich werden vermutlich nur jene Organisationen die Auswirkungen des Fachkräftemangels auf die Time to Hire ausgleichen können, die sowohl Optimierungen ihrer Rekrutierungsprozesse vornehmen als auch ihren Kreis möglicher Kandidaten und Kandidatinnen aktiv erweitern. Der anhaltende Wettbewerb um Talente erfordert, dass Organisationen flexibel auf den sich verändernden Arbeitsmarkt reagieren – insbesondere in Hinblick auf die wachsende Fachkräftelücke, die die kommenden Jahre voraussichtlich weiter prägen wird.